Nicht nur die enge wirtschaftliche Verbundenheit zwischen Deutschland und Frankreich, sondern auch die immer weiter zunehmende Internationalisierung des privaten Anlegerverhaltens führt vermehrt zu grenzüberschreitenden Erbfällen.
Im Rahmen einer deutsch-französischen Nachlassabwicklung stehen die Erben und Vermächtnisnehmer auch vor erbschaftssteuerrechtlichen Herausforderungen. Beide Länder nehmen ihr Besteuerungsrecht in Anspruch. Hinzu kommt, dass die Erbschaftssteuerbelastung in Frankreich als eine der höchsten in Europa gilt.
Wie von uns in einem vorangegangenen Artikel dargestellt, haben Deutschland und Frankreich ein entsprechendes Abkommen abgeschlossen, welches die Doppelbesteuerung in beiden Ländern vermeiden soll (s. deutsch-französisches DBA) .
Der vorliegende Beitrag soll die erbschaftssteuerrechtlichen Besonderheiten im deutsch-französischen Kontext aufzeigen, den eventuellen Einfluss der Notstandsverordnungen der französischen Regierung im Rahmen der Coronakrise näher beleuchten und damit den (zukünftigen) Betroffenen eine zielgerechte Handhabe bei deutsch-französischen Erbfällen ermöglichen.
1. Wann besteht eine Steuerplicht in Frankreich?
Entsprechend dem vorgenannten deutsch-französischen DBA gelten folgende Leitlinien[1]:
– Hatte der Erblasser seinen letzten steuerlichen Wohnsitz in Deutschland, dessen Erbe aber seinen letzten Wohnsitz in Frankreich, so ist das Nachlassvermögen – unabhängig von dessen Belegenheitsort – in Frankreich zu versteuern. Die eventuell in Deutschland gezahlte Erbschaftssteuer wird auf die französische Erbschaftssteuer angerechnet.
– Hatte der Erblasser seinen letzten steuerlichen Wohnsitz in Frankreich, so ist dessen Nachlassvermögen – unabhängig von dessen Belegenheitsort – in Frankreich zu versteuern. Dabei ist es auch unerheblich, ob der Erbe, Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer seinen Wohnsitz in Frankreich oder Deutschland hat. Die eventuell in Deutschland gezahlte Erbschaftssteuer wird auf die französische Erbschaftssteuer angerechnet.
– Der Steuersatz wird nach dem Grundsatz des Progressionsvorbehalts („principe du taux effectif“) berechnet, d.h. grundsätzlich unter Berücksichtigung sämtlicher Nachlassgüter, unabhängig davon, ob diese in Deutschland oder Frankreich belegen sind. Dadurch erhöht sich der Steuersatz. Besteuert wird dann in Frankreich nur derjenige Wertgegenstand, der aufgrund des vorgennannten DBA’s in Frankreich besteuert werden darf (insbesondere eine Immobilie in Frankreich).
Hatte somit der Erblasser seinen letzten steuerlichen Wohnsitz in Deutschland, ist der Erbe auch in Deutschland wohnhaft und gehören zum Nachlass in Frankreich eine Immobilie und ein Bankkonto, so sind für die Berechnung des effektiven Steuersatzes sämtliche in Frankreich belegenen Güter (hier: Konten und Immobilie) zur Berechnung des Steuersatzes heranzuziehen. Dieser so ermittelte Steuersatz ist dann auch auf die in Frankreich zu versteuernde Immobilie anzuwenden.
2. Bei welchem Finanzamt ist die Steuererklärung einzureichen?
Hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in Frankreich, so ist die Erbschaftssteuererklärung beim örtlichen Finanzamt des Wohnortes einzureichen.
Hatte der Erblasser seinen Wohnsitz außerhalb Frankreichs, so ist die Erbschaftssteuererklärung bei einem zentral zuständigen Finanzamt einzureichen:
Direction des Impôts des Non-Résidents
Recette des Non-Résidents
10 rue du Centre
TSA 50014
F – 93465 Noisy-le-Grand Cedex
E-Mail: recette.nonresidents@dgfip.finances.gouv.fr
3. Welche Fristen sind einzuhalten?
Ist der Erblasser in Frankreich verstorben, so ist die Erbschaftssteuererklärung innerhalb von 6 Monaten ab Erbfall beim französischen Finanzamt einzureichen.
Hatte der Erblasser seinen Wohnsitz außerhalb Frankreichs, so ist die Erbschaftssteuererklärung innerhalb einer Einjahresfrist ab Erbfall einzureichen.
Zu beachten ist auch, dass in Frankreich die Erbschaftsteuer zwingend vor Einreichung der Steuererklärung bzw. zumindest zeitgleich zu zahlen und dies bei Einreichung der Erklärung nachzuweisen ist. Anders als in Deutschland, ergeht damit in Frankreich kein nachträglicher Erbschaftssteuerbescheid mit gesonderter Zahlungsaufforderung durch das Finanzamt.
Stundungen oder Ratenzahlungen sind bei grenzüberschreitenden Erbfällen, insbesondere aufgrund des in Frankreich sehr eng gesteckten gesetzlichen Rahmens, praktisch nicht realisierbar.
4. Kann das französische Finanzamt Sanktionen verhängen?
Grundsätzlich können Verzugszinsen („intérêts de retard“) und Steuererhöhungen bzw. Pönalen („majorations“) kumulativ in folgenden Fällen anfallen:
– Nicht oder nicht-fristgemäße Abgabe der Steuererklärung;
– Fehlerhafte oder unzureichende Angaben in der Steuererklärung oder Unterlassung der Abgabe einer solchen;
– Nicht oder nicht-fristgemäß erfolgte Zahlung der Erbschaftssteuer.
Der Zinssatz liegt aktuell bei monatlich 0,20 % (somit jährlich 2,4 %), berechnet auf den Betrag, der nicht bzw. nicht rechtzeitig gezahlten Erbschaftssteuer anfallend ab dem 1. Tag des Folgemonats nach Fristablauf zur Zahlung dieser (s. o. Punkt 3.).
Die Pönale beläuft sich einzelfallabhängig auf zwischen 10 (Nichtabgabe der Steuerklärung) und 40 %; in besonders schweren Fällen (bei Arglist, Täuschung, insbes. auch Verschleierung von Nachlassaktiva im Ausland) kann sie maximal 80 %, jeweils berechnet auf den Betrag, der nicht bzw. nicht rechtzeitig gezahlten Erbschaftssteuer, betragen.
Dies lässt sich an folgendem Beispiel veranschaulichen:
Erbfall am 4. Mai 2020 in Frankreich
Fristablauf für die Abgabe der Erbschaftssteuer-erklärung |
Ab dem 02.12.2020 |
Ab dem 01.06.2021
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Ab dem 01.06.2021
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Ab dem 01.06.2021
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Ab dem 01.06.2021
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04.11.2020 | 13. Monat |
Bei Einreichung der Steuererklärung innerhalb von 90 Tagen ab Mahnung durch das Finanzamt |
Bei Nicht-Einreichung der Steuererklärung innerhalb von 90 Tagen ab Mahnung durch das Finanzamt |
Bei fahrlässiger, vorsätzlicher Nichteinreichung; Verschleierung/ Unterschlagung von Aktiva |
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Verzugszinsen | 0,20 % / Monat | 0,20 % / Monat | 0,20 % / Monat | 0,20 % / Monat | 0,20 % / Monat |
Pönale | Nein | 10 % | 10 % | 40 % | bis zu 80 % |
5. Steuerrechtliche Vergünstigungen im Rahmen der Notstandsverordnungen der französischen Regierung?
Fraglich ist nunmehr, ob die im Rahmen der Coronakrise erlassene Notstandsverordnung Nr. 2020-306 eine Aussetzung der oben genannten Fristen vorsieht oder die Erben auf dieser Grundlage zumindest eine Fristverlängerung beim französischen Finanzamt betragen könnten.
Die französische Regierung hat mit vorgenannter Verordnung eine vorübergehende Eingriffsnorm geschaffen, die sich auf die Handhabung administrativer Fristen während des Krisennotstandes beziehen.
Grundsätzlich bestimmt Artikel 10 Abs. 1 der vorgennannten Verordnung, dass die zum 31. Dezember 2020 ablaufenden Fristen ausgesetzt werden; die Aussetzungsdauer wird auf den Zeitraum von zwischen dem 12. März bis 23. August 2020 festgelegt und die steuerrechtlichen Abgabefristen damit um diesen Zeitraum verlängert. Ob im Übrigen auch evtl. Verzugszinsen oder Pönalen ausgesetzt werden, ist nicht explizit erwähnt.
Artikel 10 Abs. 2 der Verordnung sieht jedoch eine Ausnahme dahingehend vor, dass die Aussetzungsfrist nicht für solche Steuererklärungen gelten soll, die für die Festsetzung, Bemessungsgrundlage, Liquidation, Erhebung und die Beitreibung von Steuern, Abgaben und Gebühren verwendet werden. Dies sei insbesondere dadurch gerechtfertigt, als dass die Steuerfestsetzung der für das Funktionieren und Aufrechterhalten des öffentlichen Dienstes und der Unterstützung der Wirtschaft erforderlichen öffentlichen Einnahmenquellen gewährleistet bleiben müsse.
Nach der derzeitigen herrschenden Meinung und in derzeitiger Abwesenheit gegenteiliger Anweisungen der Behörden ist davon auszugehen, dass die Erbschaftssteuererklärungen von diesem Ausnahmebereich erfasst werden.
Dafür spricht auch, dass das französische Finanzamt in seiner offiziellen Amtsblattkommentarsammlung („Bulletin officiel des Finances Publiques“) vom 24. Juni 2020 den Steuerpflichtigen wie folgt hinweist:
„[…] die Ausnahmeregelung] gilt auch nicht in den Bereichen des Steuerwesens, für die Fristen in steuerlichen Kontrollverfahren und die Fristen für die Einreichung von Steuererklärungen, die der Erhebung und Bemessung, der Liquidation und der Einziehung der Steuern, Abgaben und Gebühren dienen, einschließlich der bei den Registersteuerdiensten gemäß den Bestimmungen des Artikels 10 der Verordnung Nr. 2020-306 vom 25. März 2020 eingereichten Erklärungen …“ […]
„Absatz 2 des Artikels 10 der Verordnung Nr. 2020-306 vom 25. März 2020 sieht vor, dass der in Artikel 2 der Verordnung Nr. 2020-306 vom 25. März 2020 geregelte Aufschiebungsmechanismus nicht für solche Erklärungen gilt, die der Erhebung, der Bemessung, der Liquidation und der Einziehung von Steuern, Zöllen und Gebühren dienen. Diese Erklärungen müssen daher innerhalb der gesetzlichen Frist eingereicht werden.“
Folglich ist davon auszugehen, dass trotz der Coronakrise die oben unter Punkt 3. aufgezeigten strengen – und im internationalen Kontext sehr kurzen – Fristen zur Abgabe der Erbschaftssteuererklärung und damit auch der eventuell zu zahlenden Erbschaftssteuer unbedingt einzuhalten sind.[2]
Vor diesem Hintergrund dürften auch die oben unter Punkt 4. aufgezeigten Pönalen und Verzugszinsen weiter anfallen bzw. ohne Unterbrechung weiterlaufen.
Fazit
Das Vorgesagte zeigt, dass im Rahmen der deutsch-französischen Nachlassabwicklung höchste Wachsamkeit geboten ist. Oft ist es so, dass aufgrund des Vorhandenseins von Vermögenswerten in beiden Ländern, den unterschiedlich geltenden steuerlichen Bewertungsmaßstäben (insbesondere bei Immobilien), aber auch längere Bearbeitungszeiten aufgrund von Übersetzungen, die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung viel Zeit in Anspruch nimmt. Dies dürfte noch umso mehr in Zeiten der Coronakrise gelten.
Sollte absehbar sein, dass die Erbschaftssteuererklärung nicht rechtzeitig abgegeben werden kann, so ist es empfehlenswert, eine Anzahlung („acompte“) auf die voraussichtlich anfallende Erbschaftssteuer zu leisten. So kann das Anfallen von Verzugszinsen und Pönalen – zumindest in Höhe der geleisteten Anzahlung – vermieden werden.
Es sollte in jedem Fall versucht werden, Fristverlängerungen bzw. der Erlass von Verzugszinsen und Pönalen zu beantragen („demande de remise gracieuse“), jedoch bleibt der Erfolg solcher Anträge eine reine Ermessensentscheidung des französischen Finanzamts.
Im Rahmen eines zu erwartenden deutsch-französischen Nachlasses, welcher Vermögenswerte in beiden Ländern enthalten wird, ist es daher ratsam, sich im Vorfeld durch eine anwaltliche Beratung über mögliche Gestaltungsmöglichkeiten zu informieren.
Berlin, im August 2020
Petra Kuhn, Avocat à la Cour (Lyon), Diplom-Rechtspflegerin (FH)
[1] Aufgrund der Komplexität kann nicht auf sämtliche Fallkonstellationen im Einzelnen eingegangen werden.
[2] Gleiches dürfte im Übrigen auch für die Fristen im Schenkungssteuerrecht (insbesondere bei der Barschenkung, sog. „don manuel“) gelten.